24 Mai 2007

Kopierdiplom

In meinem Geschäftsbereich wird leider immer mit sehr viel Papier rumgewirbelt, Unterlagen müssen natürlich in Paperform eingereicht werden und auch sonst ist die Abholzung diverser Tropenwälder zur Gewinnung unseres täglichen Papierbedarfes immer noch unumgänglich. Irgendwie stehen Kredit- oder allgemein Bankmenschen auf diese lustigen bedruckten Blätter in vorzugsweise A4-Format.

Natürlich ist es immer noch absolut erforderlich, gewisse Verträge in Papierform zu haben, bestimmte Sachen schriftlich zu Papier zubringen und auch der Zwang, alles innerhalb kürzester Zeit nachlesen zu können (ohne auf den PC angewiesen zu sein), ist dermassen stark ausgeprägt, dass es mir manchmal schon Angst macht. Ganze Weisungen mit über 100 Seiten werden da ausgedruckt, um sie nach spätestens einem halben Jahr wieder wegzuschmeissen und die geänderte Version erneut auszudrucken.

Selbstverständlich ist mein geschätzter Arbeitgeber schon so technisch fortgeschritten, dass bei uns jedes Stückchen Papier eingescannt wird und auch so in der EDV nachlesbar ist. Wenn … ja wenn man denn mit der EDV umgehen kann und die denn auch noch störungsfrei läuft. Aber das ist ein Thema für sich. Und der Wille muss natürlich auch da sein … logisch oder?

Jedenfalls werden bei uns natürlich auch Unmengen von Kopien erstellt. Man weiss ja nie, wozu man sie noch mal braucht und bevor etwas in den undurchsichtigen Postwegen verschwindet, belädt man lieber die sinnlos vor sich hinrostenden Stahlschränke mit noch sinnloseren Akten und Dossiers. Ich mache bei diesem ganzen Spiel auch notgedrungen mit, denn ich könnte ja mal in den Ferien sein und mein Stellvertreter muss ja alles denn schwarz auf weiss auf dem super Hochleistungspapier gedrucktem Zeugs vor der Nase haben. Ansonsten bekommt er Zustände und in seinem Alter kann das schon mal äusserst negative Auswirkungen haben. Akute Arbeitsunlust oder anderweitige unheilbare Krankheiten auf jeden Fall.

Demzufolge mache ich mich regelmässig auf den langen und mühsamen Weg zu unserem hochgeschätzten Kopierapparat … um wieder einmal in Erinnerungen an meine Ausbildungszeit zu schwelgen und etliche Kopien von bereits mehrfach kopierten Sachen zu machen. Und was kommen da für Erinnerungen hoch … alter Schwede … damals 14/18 … kurz nach dem Krieg … was hab ich da kopiert. Erstes Lehrjahr, 10 Woche und klein lorretti konnte voller Stolz behaupten, ein eigenes Büro zu besitzen … direkt im Kopierraum der Filiale. Vorteil war der, dass man ungestört auch mal nichts machen konnte. Weil Kopieren ist schon eine hochwissenschaftliche Arbeit, die jede Menge Fach-Know-How verlangt und noch mehr Zeit benötigt. Und kopieren musste ich verdammt viel damals.

Nach Ende der Ausbildung konnte ich schliesslich voller Stolz mein Kopierdiplom in den Arm nehmen, mit einem goldenen Rahmen versehen und mit erhobenem Haupt im Wohnzimmer meiner Eltern platzieren … ungefähr eine halbe Sekunde … denn dann wanderte das Ding ab zu den anderen sinnlosen und völlig überflüssigen Nachweisen und Urkunden in die letzte Ecke des Dachbodens.

Später kam mir natürlich diese super Ausbildung an diversen Kopierern verschiedenster Bauart immer wieder zugute. Ich brauchte manche Kopierer nur sehen und wusste, wie was wo und warum lieber nicht. Die Behebung eines kleinen Papierstaus verbunden einem schnellen und eleganten Wechsel der Druckerpatrone stellte nicht mehr als eine kurzzeitige Unterbrechung der sonst so monotonen Arbeit da und zauberte mir stets ein entspanntes Lächeln auf die Lippen.

Mittlerweile bin ich hoch bezahlter und bestens ausgebildeter Kreditspezialist für die noch so exotischsten Kundenwünsche, hantiere mit Millionen rum und auch sonst habe ich mich wunderprächtig entwickelt. Was mir allerdings geblieben ist … das blöde Kopieren von noch blöderen Dokumenten mit durchaus veralterter Technik.

Natürlich haben wir eine Assistentin, aber die … die weigert sich ("Nicht mein Aufgabengebiet!!!") permanent für ich zu kopieren und liest dafür lieber die aktuelle Klatsch- und Tratschpresse bzw. telefoniert mit Mama oder beiden auf einmal. Also bleibt mir als … wie schon geschrieben hoch bezahlt und hoch qualifiziert … Spezialist nicht anderes übrig als mich alleine und von der Welt verstossen auf den Weg zu machen und wertvolle Minuten vor dem Kopierer zu verbringen (Stundensatz ca. SFr. 350).

Aber ein Gutes hat die ganze Sache … ich kann ständig mein mühsam erworbenes Kopierdiplom erneuern und ständig Zusatzqualifikationen machen. Und bei der 100.000-sten Kopie gibt’s einen Kaffee umsonst … wenn der Kaffee nicht eh schon kostenlos und völlig umsonst wäre.

In dem Sinne … ich geh jetzt mal in den Wald, neue Bäume fällen und Papier herstellen. Muss nämlich noch 3 25-seitieg Bilanzen kopieren zwecks Ablage und so. Aber erst nach dem Essen … Mahlzeit.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Da meinte wohl jemand, man könnte Praktikanten einsparen... Bei meinem Vater müssen die ganzen gutbezahlten Leute ihre Post selbst sortieren und abholen, von dem Verlust könnte man locker einen "Briefbeauftragten" einstellen...

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