04 August 2006

heute Mittag

Heute Mittag sass ich mal wieder im Starbucks, eine grosse Tasse köstlichen Kaffees dampfte vor mir auf dem Tisch, der Muffin war schon längst Geschichte und ich hatte wie üblich mal wieder einen Schreibblock vor mir.

Ich trage mittlerweile ständig einen Schreibblock mit mir rum, um Ideen und Gedanken für neue Posts sofort und überall notieren zu können. Dieser Schreibblock und der entsprechende Kugelschreiber sind momentan meine ständigen Begleiter und aus meiner Tasche nicht mehr wegzudenken. Ist praktisch, wenn einem viele Ideen im Kopf herumspuken, aber man ein schlechtes Gedächtnis hat.

Und so sass ich heute Mittag da, war fleissig am Schreiben und bekam überhaupt nicht mit, wie eine ältere Dame sich an den kleinen Tisch neben mich setzte und mich beim Schreiben beobachtete. Und lächelte.

Nach ungefähr fünf Minuten bemerkte ich denn endlich, dass da jemand mein Schreiben, Streichen,Verbessern, wieder Streichen usw. beobachtete. Ich setzte also mein nettestes Lächeln auf und fragte sie, ob ich ihr irgendwie helfen kann.

Schliesslich bin es nicht gewohnt, dass man mich beobachtet. Normalerweise bin ich sehr unauffällig und mich haben schon Leute angerempelt mit der Begründung, dass sie mich gar nicht gesehen haben. Na gut … im Anzug auf der oberen Bahnhostrasse Zürich kann man auch herrlich in der Masse der Anzugträger untertauchen. Zumindest am Tag unter der Woche. Und bei meiner Durchschnittlichkeit ist es schon gar keine Kunst nicht aufzufallen.

Umso mehr verwunderte mich, dass ich in der hintersten Ecke des Starbucks plötzlich von einer älteren Frau beobachtet und angelächelt zu werden.

Aber das warum habe ich schnell erfahren. Nachdem ich sie als gefragt habe, warum sie mich denn beobachtet, meint sie nur, dass ihr verstorbener Ehemann für sie oft Briefe,Gedichte und Geschichten schrieb und das meistens in einem Cafe sitzend. Und auch hätte ich wohl eine ähnliche Handschrift wie ihr verstorbener Mann. Genau in dieser Situation erinnere ich sie an ihren Mann und deswegen müsse sie auch lächeln. Sie fühlte sich gerade in die Zeit ihrer Jungend zurückversetzt und stellte sich vor, wie ihr Mann so dagesessen hat und ihr die schönsten Briefe und Gedichte geschrieben hat.

Sie erzählt mir, dass ihr Mann ständig einen Notizblock und einen Stift dabei hatte und Ideen und Gedanken notierte.
Jetzt muss ich auch langsam lächeln und meine Phantasie fängt an zu arbeiten.
Ich stelle mir vor, wie ich so dar sitze, mir die Worte an die Liebste lange und sorgfältig überlege und das ganze dann zu Papier bringe. Ein sehr schöner Gedanke und lohnenswert, mal in die Tat umzusetzen.

So langsam kommen wir ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass sie auch eine Norddeutsche ist bzw. mal war, allerdings schon seit 65 Jahren in der Schweiz lebt.
Sie ist damals als 10-jähriges Mädchen zusammen mit ihren Eltern aus Nazideutschland in die Schweiz geflohen und in Zürich aufgewachsen.

Jetzt ist natürlich mein Interesse geweckt und ich fange langsam an, sie nach ihrer Lebensgeschichte zu fragen. Sie erzählt mir, dass sie hier in der Schweiz aufgewachsen ist, eine wunderschöne und unbeschwerte Jugend und auch sonst ein wunderbares Leben hatte. Ein Leben, das ihrer Meinung nach alles geboten hatte, was sie sich wünschte und sie nie das Gefühl hatte, etwas verpasst zu haben.

Sie erzählt mir aber auch vom Heimweh Ihrer Eltern und der Sehnsucht nach der Heimat, welche man ja nicht wirklich freiwillig verlassen hatte. Ihre Eltern sind 1955 nach Deutschland zurückgekehrt, um dieses wieder aufzubauen und zu dem zu machen, was es heute ist.

Ihren Mann, einen Zürcher, habe sie am Zürisee kennen und lieben gelernt und eine wunderbare Beziehung bis zu seinem Tod vor einem Jahr geführt. Sie erzählt von den Höhen und Tiefen ihres Lebens und in mir kommt wie schon so oft der Gedanke auf, wie gut es mir eigentlich geht.
Ich überlege, dass es in jedem Leben Höhen und Tiefen geben muss. So kann man denn immer sagen 'Ich habe ein schönes und interessantes Leben gelebt.' Und das ist für mich genau das, was ich auch mal sagen will.

Und während sie mir so ihre Lebensgeschichte erzählt, vergeht die Zeit wie im Flug und ich merke erst anhand meines kalten Kaffees, dass ich eigentlich längst wieder im Büro sein müsste. Aber zum Glück ist bei uns momentan nicht viel los und ich höre noch ein bisschen der Geschichte ihres Lebens zu.

Mittlerweile sind fast zwei Stunden vergangen und ich muss mich schweren Herzens von dieser netten Dame verabschieden. Auch sie hat jetzt erst gemerkt, wieviel Zeit schon verstrichen ist und sie müsse jetzt erstmal ihre Enkelin anrufen. Mit der wollte sie sich schliesslich treffen und nun ist sie schon eine halbe Stunde zu spät dran. Schliesslich heiratet ihre Enkelin bald … einen Deutschen.

Und so schliesst sich der Kreis wieder und ich werde mit einem Lächeln im Gesicht nach einer angenehmen Mittagspause mal langsam wieder produktiv tätig werden.

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