11 Oktober 2006

S-Bahngeschichten die Zweite

Nachdem ich meinen Umzug erfolgreich hinter mich gebracht und mich mittlerweile auch gut mit der neuen Bahnverbindung vertraut gemacht habe, komme ich langsam mal dazu, mich näher mit den Menschen gerade in der morgendlichen Bahn zu beschäftigen und Beobachtungen aller Art anzustellen. Und es ist immer wieder ein Spass, die verschiedenen Leute, die mir auf meiner halbstündlichen Fahrt mehr oder weniger begegnen, zu beobachten.

Obwohl ich bereits drei Stationen nach Beginn der Bahnlinie einsteige, sind die Abteile schon recht gut besucht. Vorwiegend wird von den bereits anwesenden tief und fest geschlafen und manch einer meint, dass auch die Sitzplätze ihm gegenüber zu seiner vollen Verfügung stehen. Das ändert sich allerdings schlagartig, sobald die Bahn in Regendorf-Watt einfährt und sich ein breiter Strom von Pendlern unterschiedlicher Rassen und Nationalitäten in die Abteile drängt. Die Luft wird zusehends angefüllt mit Gerüchen verschiedenster Herkunft und Intensität. Angefangen vom Aftershave, welches an den Verwesungsduft von toten Bergziegen erinnert, bis hin zu Moschuswolken, welche das Atmen schwermachen und an gewisse orientalische Märchen erinnert. Dazu kommt den vielleicht noch der liebliche Geruch alten Biers und/oder Knoblauchs, welcher mir denn geruchsmässig den Rest könnte …. wenn ich denn einen 100%-igen Geruchssinn hätte. Ich kann zum Glück das ganze Ausmass nur erahnen.

Nachdem sich denn sämtliche Gerüche für ca. 20 min durchmischt haben, verlassen die meisten Geruchsträger die Bahn auch schon wieder. Zurück bleiben die Gerüche, mit welchen ich denn noch ca. 10 min zu kämpfen habe.

Was natürlich auch noch sehr auffällig ist … der umfangreiche Wortschatz mancher Mitreisenden. Da die Bahn von sehr vielen Schülern und Azubis benutzt wird, komme ich endlich mal wieder dazu, meinen "Jugendwortschatz" aufzubessern, ohne mir ein teures Nachschlagewerk kaufen zu müssen. Viele Worte erklären sich nämlich aus dem Sachverhalt. Wenn es denn mal viele Worte wären. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass viele Schüler den Sprachschatz eines dreijährigen haben und eben dieser zu 95 % nur aus Schimpf- und Füllwörtern besteht. Mal einen durchgängigen Satz zu bilden muss schon eine enorme Herausforderung für manche sein. Aber viele Erwachsene sind auch nicht besser. So ist's ja nicht.

Da werden teilweise Gespräche geführt … herrlich. Der Kampf um die goldene Ananas könnte nicht spannender sein. Ehekrisen werden mit ungefähr 3 Wörtern in Monologen erörtert, welche vielleicht denn doch 10 Minuten dauern. Verwandschaftverhältnisse werden mittels Händen und Füssen erklärt. Und oftmals verstehe ich eh kein Wort, da es sich bei dem Gesprochenen um ein munteres Gemisch aus Schweizerdeutsch und anderen mir unbekannten Sprachen bzw. Dialekten.

Nebenbei bemerkt … ich haben meistens Stöpsel in den Ohren und höre Musik. Und wer meine Lieblingsmusik kennt, weiss, dass es sich nicht gerade um Balladen oder ruhige Instrumentalstücke handelt. Aber selbst bei fast voller Lautstärke ist das verfolgen mancher Gespräche keine wirkliche Kunst.

Aber das schönste ist mir heute Morgen passiert. Während ich so auf meinem Fensterplätzchen sass, mit der Müdigkeit kämpfte und die Landschaft betrachtete, setzt sich ein junger Mann neben mir hin, schliesst seine Augen und fängt an zu schlafen.
Soweit nichts Aussergewöhnliches und er war bestimmt nicht der Einzige in der Bahn. Irgendwann aber bemerke ich das Grinsen der Frau gegenüber von mir, die ständig in die Richtung meines Sitznachbars schaut. Ich also mal einen Kopfhörer aus dem Öhrchen genommen und was höre ich da … der junge Mann hat die grosse Säge ausgepackt und angefangen, sämtliche Bäume links und rechts der Bahnstrecke zu fällen. Genau zu dem Zeitpunkt habe ich das Grinsen der Frau gegenüber verstanden und entsprechend mitgegrinst.

Abschliessend kann ich nur sagen… ich fahre gerne mit der Bahn und wer gerne Leute beobachtet und Spass haben will, dem kann ich nur ein Fahrt mit der S6 morgens gegen 08:00 Uhr Richtung Zürich HB oder abends ab 18:00 Richtung Baden empfehlen. Vielleicht gerade wegen dieser herrlichen Möglichkeit, auf Menschen verschiedenster Art zu treffen. Der Mensch ist schliesslich ein soziales Tierchen.

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